Bankenbranche: Tradition trifft Moderne (nicht)!
Ich frage mich bereits seit mehreren Monaten, wieso der Dialog in der Bankenbranche so schwer ist.
Nach meinem Empfinden gibt es derzeit zwei unterschiedliche Gruppen in unserer Industrie. Auf der einen Seite die Traditionalisten, die sich insbesondere im klassischen Bankenumfeld bewegen. Dieses kennzeichnet sich vor allem durch Beständigkeit, stabile Systeme und ggf. inkrementellen Wandel. Auf der anderen Seite befinden sich die Modernisierer, insbesondere FinTechs und Neobanken. Diese stehen, wenn auch nicht immer zu Recht für Innovationen, Kreativität und disruptiven Wandel.
Auf den verschiedenen Veranstaltungen der jeweiligen Gruppe wird gerne übereinander gesprochen, dabei werden gerne die Nachteile der anderen Gruppe in den Mittelpunkt gerückt. Die Modernen sind arrogant, nicht etabliert und unerfahren, die Traditionellen sind rückständig, teuer und nicht innovativ.
Ich war auf der Transaction19, eine großartige Veranstaltung mit tollen Speakern und ca. 500 Teilnehmern aus der Finanzbranche. Themen der Veranstaltung waren u.a. Banking 3.0, Mobile Payment und Marktmacht durch Digitalisierung und es wurde die These aufgestellt, dass „Banking sterben muss, damit wir (Modernisten?) leben können“. Was ich leider vermisst habe waren Mitglieder der Traditionalisten-Gruppe, zu der ich mich nach eineinhalb Jahrzehnten in der Sparkassen Finanzgruppe auch zähle. Zu all den relevanten Themen hätte ich auch gerne starke Meinungen aus der alten Industrie gehört. In einem der wenigen Panels mit einem Teilnehmer der Traditionalisten wurden die Vertreter des klassischen Bankings durch Ihre Positionierung bzgl. der Möglichkeiten der Datenanalyse als „Party Pooper“ bezeichnet. Das fand ich zwar sehr erfrischend und auch etwas lustig, zeigt aber leider auch warum die beiden Gruppen dann doch lieber unter sich bleiben.
Am Folgetag hat im Rahmen der Euro Finance Week die Payments Konferenz stattgefunden. Diese Veranstaltung ähnelt seit Jahren einem Klassentreffen der Traditionellen. Die Teilnehmer der Panels variieren über die Jahre kaum. Die Tagesordnung liest sich ähnlich spannend: „Quo vadis Retail? Mit Paymentlösungen Retail Kunden begeistern“ und „Kann Europas Zahlungsverkehr die Wettbewerbsfähigkeit der Banken und Ihrer Kunden sichern“. Zugegeben, ein wenig zugespitzt zusammengefasst: Wie können wir noch mit Banking 1.0 die Bedürfnisse unserer Kunden befriedigen. Vertreter von den Modernen gibt es hier wenige, von den „Party Poopern“ dagegen viele, auch wenn sie an diesem Tag nicht so genannt wurden.
Was mich sehr verwundert hat, dass trotz einer geringen zeitlichen und geographischen Entfernung beider Veranstaltungen nur so wenig Vertreter beider Gruppen auf der jeweils „gegenseitigen“ Veranstaltung waren. Das ist schade, denn meiner Ansicht nach, haben beide Gruppen im Zusammenspiel den Kunden in den Nächsten Jahren noch sehr viel zu bieten.
Ich wünsche mir für 2020, dass die beiden Gruppen anfangen auch in der Öffentlichkeit miteinander reden, gerne sogar streiten wie die Kesselflicker. Denn der wirkliche Wettbewerber sitzt nicht in den Frankfurter Banktürmen oder in den hippen Berliner Lofts. Die starken Wettbewerber befindet sich unter anderem in Cupertino, Mountain View, Shenzhen und Hangzhou. Und da wäre es nicht von Schaden, sich gegenseitig zu stärken.
Es wäre schön zu sehen, wenn die Organisatoren der Transaction und der Payment Konferenz 2020 ein gemeinsames Event veranstalten, um eine Annäherung beider Gruppen zu ermöglichen. Um dann auf dieser Veranstaltung miteinander statt übereinander zu reden. Und um sich dann auf die Vorteile der jeweils anderen Gruppe zu fokussieren und für die jeweiligen Nachteile gemeinsam Lösungsansätze zu finden. Dies könnte zu einer deutlichen Erweiterung der Dienstleistungen, Produkte und Strategien beider Gruppen führen. Vor allem aber würde es der Festigung der Wettbewerbssituation beider Gruppen dienen.
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