Das Firmenkundengeschäft der Banken – Wer stillt den Bedarf in Zukunft?
Das Firmenkundengeschäft von 1990 war für Banken ein anderes als im Jahr 2021. Ausschlaggebend dafür ist vor allem, dass der Firmenkunde und seine Bedürfnisse vor 30 Jahren andere waren als heute. Begleitet wird diese Entwicklung von technischen Innovationen und der omnipräsenten Digitalisierung.
Die Arten der Unternehmensfinanzierungen für kleinere und mittelständische Firmen haben sich längst von altbewährten Betriebsmittel- und Investitionskrediten in Richtung anderer Finanzierungsformen verlagert. Selbst die Bank als übliche erste Anlaufstelle gilt nicht mehr als sicher gesetzt. So hinterfragen die Unternehmer zunehmend die vermeintliche Kernkompetenz von Kredithäusern und erwägen andere Möglichkeiten der externen Finanzierung.
Um dies zu beleuchten, werden zunächst das klassische Kreditgeschäft mit Firmenkunden und deren Veränderung in der Wahrnehmung der Banken betrachtet.
Das klassische Kreditgeschäft
Das Kreditgeschäft wird in seiner professionellen Form laut Definition von Banken betrieben. Um klassische Kreditgeschäfte handelt es sich immer dann, wenn bilaterale Kreditbeziehungen zwischen Banken und Kunden vorliegen. Bei der Vergabe von Krediten steht vor allem die Frage nach dem Verwendungszweck im Vordergrund. Dienen die beantragten Mittel der Finanzierung laufender Geschäftstätigkeiten, wie beispielsweise der Begleichung von Außenständen, vergeben die Banken hier kurzfristige Betriebsmittelkredite. Am gebräuchlichsten ist hierbei der Kontokorrentkredit. Dem gegenüber stehen langfristige Investitionskredite, die dem Firmenkunden im Wesentlichen zur Finanzierung des Anlagevermögens dienen. [1] Die Kreditgewährung der Banken erfordert von den Unternehmen vorrangig eine entsprechende Absicherung. Als Sicherheiten für eingeräumte Kredite können unterschiedliche Formen von Kreditsicherungsmitteln dienen. Die wohl gängigste Variante ist neben Verpfändungen, Abtretungen und Bürgschaften die Eintragung von Grundschulden auf Firmenimmobilien und/oder privatem Wohneigentum.
Über Jahrzehnte bis in die 00er Jahre hinein funktionierte das Geschäft der Banken mit ihren mittelständischen Firmenkunden, Selbständigen und kleineren Gewerbetreibenden mehr oder weniger nach dem gleichen Muster. Gab es einen Kapitalbedarf, so begab man sich als Firmenkunde zur klassischen Hausbank und legte sein Anliegen demütig dem Banker dar. Dieser machte einem dann ein Kreditangebot. Der Firmenkunde konnte entweder die Konditionen akzeptieren oder ohne Geld von dannen ziehen. Die Customer Journey war hier eher mit dem Gang nach Canossa vergleichbar. Damals war die Bankenwelt sehr viel analoger und deutlich weniger vernetzt. Zudem gab es weniger Wettbewerb der Geldhäuser untereinander sowie kaum andere Player aus dem Bereich Non- und Near-Banks. So hatte der Firmenkunde damals die „eine“ Hausbank, der, vor allem in Familienbetrieben, schon die Väter und Großväter die Treue geschworen hatten. Entsprechend sicher fühlte man sich auf der anderen Seite des Bankschalters als Geldgeber.
Ein Paradigmenwechsel
Heute haben viele Jahre der Digitalisierung, technologische Innovationen und neue Wettbewerber im Bankensektor zu einer Verschiebung des traditionellen Rollenverständnisses von Bank und Bankkunde gesorgt. Waren es zunächst primär die Privatkunden, die aufgrund ihrer oft viel einfacheren wirtschaftlichen Strukturen in den Genuss unterschiedlicher und zum Teil sehr innovativer Produkte (Bsp. N26, Verivox, Cashpresso etc.) kamen und entsprechend stark umworben worden, so profitierten in den letzten Jahren auch immer mehr Firmenkunden von den neuen Entwicklungen. Sie werden inzwischen von verschiedensten Dienstleistern mit Finanzierungsprodukten und anderen neuen und smarten Dienstleistungen regelrecht umgarnt.
Die neuen Produkte und Anbieter, die den Kunden in den Fokus sämtlicher Geschäftsaktivitäten setzen, zwingen die klassischen Banken zum Paradigmenwechsel. Es gilt nun vielmehr den Firmenkunden zu halten. Nicht zuletzt aus dem Grund, dass gerade im Geschäft mit den Firmenkunden die meisten Erträge der klassischen Banken erzielt werden. Getreu nach dem Motto „entweder geht man mit der Zeit oder man geht mit der Zeit“ hat man es sich jetzt zur Aufgabe gemacht, den Firmenkunden mit seinen hochindividuellen Bedürfnissen ebenso wie die junge digitale Konkurrenz mit innovativen und individuellen Lösungsangeboten zu versorgen. Die Rolle des Gewerbetreibenden oder Selbständigen als Bittsteller gilt längst als überholt. Jetzt ist es er selbst, der mit Dienstleistungen, Beratungsgesprächen, Telefonaten, Emails etc. umworben wird, sorgfältig und bei vorhandener großer Markttransparenz Angebote der Finanzdienstleister abgleicht und schlussendlich eine Entscheidung über die Zusammenarbeit mit einem Geschäftspartner trifft.
Aus Sicht der Firmenkunden gibt es eine Reihe von neuen Produkten und Wegen der Kreditfinanzierung, die von Banken und anderen Finanzdienstleistern angeboten werden. Im Folgenden werden diese neuen Formen der Unternehmensfinanzierungen und deren Anbieter, die sich zum Teil darauf spezialisiert haben, vorgestellt:
Factoring
Schon beinahe ein alter Bekannter ist das Factoring. Wird es doch schon seit etlichen Jahren von Firmen und Finanzhäusern betrieben, lässt die Beliebtheit auch heute nicht nach. Die verschiedenen Factoring Arten können grob nach Leistungsumfang und nach Art der Forderungsabtretung unterschieden werden. Der deutliche Vorteil beim Factoring ist, dass das Unternehmen durch den Verkauf der offenen Forderungen sofort Liquidität erhält und vor etwaigen Zahlungsausfällen sicher ist. Dafür zahlt es oftmals einen Abschlag auf die Forderungssumme. Banken wie Sparkassen haben den zunehmenden Trend des Geschäftes mit Factoring erkannt und bieten ihren Kunden im Rahmen des Allfinanzangebotes entsprechende Lösungen des eigenen Hauses oder von spezialisierten Konzerntöchtern an. Starke Konkurrenz gibt es für die traditionellen Player auf dem Bankenmarkt von neuen Playern wie zum Beispiel Billie, fundflow oder Flex Payment. Die Zielgruppe dieser FinTechs bilden eher kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), Selbstständige und Freiberufler. Vor allem letztere lassen sich häufig bei Banken nicht passgenau dem FK- oder PK-Bereich zuordnen. Entsprechend hoch ist der Bedarf hier. Das Interesse vieler Unternehmer wird bei den neuen Anbietern durch einen kurzen Onboarding-Prozess und die häufig günstigeren Konditionen für den Forderungsankauf geweckt.
Crowdfinanzierungen
Bei Crowdfinanzierungen wählt der Nutzer auf einer Online-Plattform ein Projekt oder ein Gründungsvorhaben aus und stellt für dessen Realisierung kleinere oder größere Geldbeträge zur Verfügung. Bekannte Anbieter von Crowdfinanzierungs-Plattformen sind kickstarter.com, indiegogo.com und unternehmerich.com. Hierbei können einfach rund um den Globus Gelder eingesammelt werden. Die Kapitalgeber erhalten so die Chance in spannende Projekte des deutschen Mittelstands zu investieren und erhalten entsprechende Beteiligungszahlungen oder auch nicht-monetäre Leistungen, wie beispielsweise hergestellte Produkte, Dienstleistungen, Eintrittskarten etc. Die Unternehmen wiederum profitieren von der Stärke der Gemeinschaft und erschaffen sich somit eine Alternative zur klassischen Bankenfinanzierung. Unterarten der Crowdfinanzierung sind das Crowdinvesting, das Crowdlending und die wohl bekannteste Art das Crowdfunding. Da vor allem Start-ups oftmals Probleme bei der Kapitalbeschaffung haben, werden Crowdfinanzierungen hier zunehmend beliebter.
Sale-and-lease-back
Das Verkaufen und Zurückleasen von Unternehmensgegenständen werden schon seit Jahren von Unternehmen betrieben. Damit bietet sich eine einfache und schnelle Möglichkeit Gelder, die in Form von Maschinen oder sonstigen Mitteln im Unternehmen gebunden sind, freizusetzen. Dies führt zu einer erhöhten finanziellen Unabhängigkeit, die beispielsweise für notwendige Investitionen oder Projekte genutzt werden kann. Neu ist auch hier, dass sich die Zahl der Anbieter im Vergleich zu früheren Zeiten erhöht hat. Zudem treten verstärkt Fintechs auf, die sich auf das Sale-and-lease-back-Geschäft spezialisiert haben. Hierzu gehört auch das Fintech NetBid Finance aus Hamburg.
Der Prozess dahinter ist simpel: Das anfragende Unternehmen wirft einen Blick auf die gebundenen Mittel im Betrieb, die für die Liquiditätsgewinnung gehoben werden können. Dazu gehören Maschinen, Anlagen und Immobilien. NetBid Finance kauft beispielsweise die Produktionsmaschine zum aktuellen Zeitwert und zahlt diesen entsprechend an das jeweilige Unternehmen aus. Die Zeitwertermittlung findet dabei mit Hilfe neuester Künstlicher Intelligenz statt. Das Unternehmen least diese Maschine über einen festen Zeitraum von NetBid Finance zurück. Nach der Zahlung der letzten Monatsrate geht die Produktionsmaschine wieder in das Eigentum des Unternehmens über. Im Vergleich zu traditionellen Bankhäusern, die das Sale-and-lease-back betreiben, soll die Transaktionsgeschwindigkeit der neuen Konkurrenz laut Kundenerfahrungen beeindruckend hoch sein.
Fazit
Der Markt für das Firmenkreditgeschäft hat sich genau wie andere Bereiche im Finanzsektor weiterentwickelt. Immer normaler wird es für Unternehmer auch abseits des Angebotes der eigenen Hausbank oder anderer traditioneller Banken neue Lösungen in Betracht zu ziehen. Diese sind häufig smarter, schneller und aufgrund des hohen Spezialisierungsgrades sowie der schlankeren Prozesse der neuen Anbieter oftmals auch günstiger. Das muss allerdings nicht bedeuten, dass den Banken die Felle davonschwimmen und Fintechs als das Allheilmittel gelten. Vor allem die Kundenbindung (ja es gibt sie noch) und die langjährigen Erfahrungen mit regulatorischen Anforderungen spielen den traditionellen Playern in die Karten. Wie so häufig zeigen sich hybride Modelle als sehr erfolgsversprechende Lösungsansätze.
In der jüngeren Vergangenheit machte vor allem die Kooperation des Berliner Fintechs Penta mit der Vereinigten Volksbank Raiffeisenbank eG aus Südhessen auf sich aufmerksam. Auf der einen Seite das Fintech, das gern beim Corona-Schnellkredit der KFW an KMUs mitmischen wollte, aber in der Form nicht durfte (Veto KFW) und auf der anderen Seite die Volksbank aus einer strukturell eher schwächeren Region, die auf der Suche nach neuen Kunden, das Regionalprinzip etwas „lockerer“ für sich interpretiert. Es ergab sich die klassische Win-win-Situation und ein gutes Beispiel dafür, dass Banken und Fintechs friedlich koexistieren können. Als ein weiteres Beispiel für diese Entwicklung am Markt ist die Kooperation der ING mit Scalable Capital zu nennen. Diese aber auch eine Vielzahl weiterer Beispiele zeigen, dass derartige Kooperationsmodelle funktionieren können.
Schlussendlich wird sich derjenige Anbieter im Kampf um den Firmenkunden durchsetzen, der es am besten schafft, die Bedürfnisse des Firmenkunden zu identifizieren und diese in den Kreditprozess zu integrieren.
[1] Vgl. H. Bost, Wertorientierte Finanzierungsentscheidungen im Corporate Banking, in: Corporate Banking, Hrsg.: H. Bost; A. Dahmen; I. Lippmann; Frankfurt 2008, S. 242 f
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