Wir sind in einer zunehmend digitalisierten Welt, in der viele Facetten unseres Lebens online abgewickelt werden können und tatsächlich werden. So entwickelt sich auch das moderne Banking und die Art und Weise, wie wir bezahlen, stetig weiter.
Spätestens seit der Coronazeit und der medialen Präsenz digitaler Payments ist der Trend zu kontaktlosen und digitalen Zahlungsmethoden in vollem Gange. Die Spannbreite solcher non-cash-Payment Lösungen reicht von bekannten und etablierten Verfahren wie dem Bezahlen via Apple Pay, Google Pay oder Paypal, bis hin zu neueren bzw. gerade erst entstehenden Bezahlverfahren.
Diese suchen derzeit teilweise noch ihre Nische oder haben auf lange Sicht vielleicht sogar das Potential zum Gamechanger. Solche Verfahren, wie beispielsweise Request to Pay, EPI, Bluecode oder zukünftig der digitale Euro, sind derzeit dem Großteil der Bevölkerung aber noch unbekannt.
Grund genug für uns sich einmal anzuschauen, was hinter diesen manchmal nicht mehr ganz neuen, aber noch fast unbekannten Bezahlverfahren steckt. Dafür haben wir uns das Konzept zu “Request to Pay” (RTP) herausgegriffen und sind den wesentlichen Fragestellungen rund um RTP nachgegangen.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff und was ist der Ursprung von Request to Pay?
Wie der Name Request to Pay bereits vermuten lässt, basiert das Prinzip auf einer Zahlungsaufforderung durch den Zahlungsempfänger an den Zahlungspflichtigen. In der Aufforderung können verschiedene Informationen, wie Betrag, Fälligkeitsdatum oder Verwendungszweck enthalten sein, wodurch es dem Zahlungsempfänger ermöglicht wird, aktiv eine Zahlung anzufordern, während es dem Zahlungspflichtigen die Kontrolle darüber gibt, wann und unter Umständen wie die Zahlung erfolgt.
Die Möglichkeit der praktischen Anwendung für RTP besteht bereits seit dem 15. Juni 2021 durch das in Kraft getretene SEPA Request to Pay (SRTP)-Rulebook des European Payment Councils. Dieses umfasst diverse Betriebsregeln und technische Elemente, die es dem Zahlungsempfänger als freiwilligen Teilnehmer des Verfahrens ermöglichen, die Auslösung einer Zahlung von einem Zahler über das SRTP Scheme einzufordern.
Das Konzept hat eine Vielzahl von physischen oder Online-Anwendungsfällen. Aufgrund des bereits hohen Reifegrads des SRTP-Rahmenwerks erhielt dieses zuletzt nur noch kleinere Anpassungen und gewinnt nun durch die anstehende Instant Payment (IP) Verpflichtung an neuer Bedeutung. Damit wird es zu einem „Real Time“ Bezahlverfahren, das unmittelbare Liquidität einerseits und sofortige Warenübergabe / Versand andererseits ermöglicht.
Wie funktioniert das Zahlungsverfahren?
Der hinter dem Verfahren stehende Prozess kann, unabhängig von der Vielfalt und Komplexität der beteiligten Geschäftsprozesse, auf die folgenden vier Schritte heruntergebrochen werden, wobei Schritt 2 und 3 den Kern des Request to Pay darstellen.
1. Das zu Grunde liegende Geschäft: Der Zahlungsempfänger und der Zahlungspflichtige einigen sich über den Abschluss einer Transaktion bzw. eines Kaufs und wollen das Geschäft via RTP abwickeln.
2. Request to Pay: Es findet eine eindeutige Identifikation der an dem Zahlvorgang beteiligten Parteien statt, anhand derer die Kennung des Zahlenden und dessen RTP-Dienstanbieters an den Zahlungsempfänger übermittelt werden können. Der Request to Pay wird nun mit allen Kerndaten von dem Zahlungsempfänger an seinen RTP-Dienstanbieter gesendet, welcher die Nachricht wiederum an den Dienstleister des Zahlenden weiterleitet.
3. Akzeptanz / Ablehnung: Die Anfrage wird dem Zahlungspflichtigen schließlich von seinem Dienstleister auf dem vereinbarten Kanal oder Gerät (z. B. Smartphone, Webbrowser usw.) präsentiert. Die Annahme / Ablehnung der Zahlung durch den Zahlungspflichtigen wird über den jeweiligen RTP-Dienstanbieter an den Zahlungsempfänger zurückgesendet.
4. Bezahlung: Bei Annahme der Anfrage wird der geschuldete Betrag von dem Zahlungspflichtigen an den Zahlungsempfänger übertragen. Dabei sind von einer sofortigen Valutastellung mittels Instant Payment bis zu einer späteren Zahlung in Raten verschiedene Modelle möglich.
Die Schritte 1 und 4 sind, genauso wie die bei Akzeptanz der Zahlungsanfrage zu erfolgende Lieferung des Geschäftsgegenstandes, nicht unmittelbar Bestandteil des RTP-Verfahrens, sondern bilden das dahinterstehende Geschäft mit dem dafür ausgewählten Zahlvorgang ab.
Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht den Prozess anhand des 4-Ecken-Modells mit den vier beteiligten Parteien. Die Abbildung zeigt, dass in diesem Modell sowohl der Zahlungspflichtige als auch der Zahlungsempfänger einen eigenen Request to Pay Service Provider haben. In der Praxis kann es auch zu Modellen kommen, bei denen beide an dem Geschäftsvorgang beteiligten Parteien einen gemeinsamen Provider haben. In diesem Fall wird von einem 3-Ecken-Modell gesprochen. Wichtig zu beachten ist, dass die Abbildung die Informationsebene des RTP-Prozesses zeigt. Demnach bilden die in grün dargestellten Pfeile den Ablauf zur Initiierung des Requests ab, während die roten Pfeile die Rückmeldung des Zahlungspflichtigen und den damit verbundenen Statusbericht zeigen. Die weiterführende Zahlungsebene mit den beteiligten Banken zur Abwicklung der Bezahlung ist hingegen nicht dargestellt.
Wie sehen konkrete Anwendungsfälle aus?
E-Commerce: Beim Abschluss eines online Kaufes kann Request to Pay eine weitere Auswahlmöglichkeit zur Bezahlung für den Einkaufenden darstellen. Dieser erhält so die Möglichkeit via RTP direkt über eine Zahlungsanfrage in dem gewohnten Onlinebanking der eigenen Hausbank zu bezahlen. Die im Online-Geschäft so wichtige User Experience wird dadurch gesteigert und der Kunde kann, sofern von dem Zahlungsempfänger freigegeben, bequem zwischen „Pay Now“ und „Pay Later“ in der Zahlungsanfrage auswählen.
E-Invoicing: Unternehmen, die regelmäßig Rechnungen an Kunden senden, können Request to Pay verwenden, um die Rückverfolgbarkeit von Zahlungen zu verbessern und den Cashflow effizienter zu verwalten. Die Zahlungspflichtigen profitieren von dieser Form der Rechnungsstellung ebenfalls, da sie bequem eine Zahlungsaufforderung als Push-Nachricht in der eigenen Banking App erhalten, so dass Rechnung und Zahlung direkt miteinander verknüpft sind. Dieses Verfahren kann sowohl für einmalige als auch für wiederkehrende Zahlungen genutzt werden.
Physischer Bezahlprozess: Request to Pay kann als zusätzliches Bezahlverfahren an den Point-of-Sale über den PSP des Händlers integriert werden. Die Abwicklung des Bezahlvorgangs kann hier beispielsweise durch das Öffnen des NFC-fähigen Smartphones oder durch das Scannen eines digitalen QR-Codes durchgeführt werden. Der Händler kann somit eine plattformunabhängige Möglichkeit zur digitalen Abwicklung des Geschäfts anbieten, ohne teure Kartenleseinfrastruktur vorhalten zu müssen. Zudem kann das Geschäft durch die Kombination mit Instant Payments sofort abgewickelt werden.
Geldtransfer: RTP kann auch für Peer-to-Peer-Geldtransfers genutzt werden, bei denen Freunde oder Familienmitglieder Geld anfordern können, ohne aufwendige Bankinformationen austauschen zu müssen.
Welche Vorteile bietet Request to Pay also?
Flexibilität & Nutzerfreundlichkeit: RTP ermöglicht es Zahlungsempfängern, flexible Zahlungsaufforderungen mit individuell festgelegten Kriterien zu erstellen. Durch diese Kalibrierung der Rahmenbedingungen gewinnen sowohl Empfänger als auch Sender an Kontrolle über den Zeitpunkt und die Art der Zahlung. Der Kunde profitiert zudem von der einfachen Abwicklung, beispielsweise über das Online-Banking der Hausbank, und primär kleinere Händler profitieren von der gesteigerten Flexibilität, keine Kartenterminals vorhalten zu müssen, um bargeldlose Bezahlung zu ermöglichen.
Sicherheit: Da Request to Pay eine aktive Zahlungsaufforderung ist, werden Zahlungsdetails klar und transparent dargestellt. Dies reduziert das Risiko von Zahlungsfehlern und Betrugsversuchen. Der initiale Identifikationsprozess und die sofortige Wertstellung bei einer mit IP verbundenen Anwendung schaffen zusätzliche Sicherheit.
Automatisierung und reduzierte Kosten: Unternehmen können RTP in ihre Systeme integrieren, um den Zahlungsprozess zu automatisieren. Dies spart Zeit und Ressourcen bei der Verwaltung von Rechnungen und Zahlungen. Durch die Kostentransparenz kann die eigene Verhandlungsposition gegenüber anderen Paymentanbietern gesteigert werden.
Fazit:
Request to Pay als Messaging-Funktion bietet in Kombination mit einem state of the art Bezahlverfahren ein enormes Potenzial für eine Bandbreite von Anwendungsfällen. Das Verfahren kann durch das hohe Maß an Flexibilität, Sicherheit und Automatisierung den Zahlungsverkehr für Verbrauchende und Unternehmen gleichermaßen reibungslos gestalten.
So ist auf Handelsseite bereits ein hohes Interesse an dem Verfahren und eine gesteigerte Nachfrage zu verzeichnen. Allerdings ist auf der Seite der Banken noch überwiegend Zögern zu beobachten. Dabei liegen auch dort die Vorteile auf der Hand: Die Banken werden direkt in den Bezahlprozess integriert und können durch die Bereitstellung kombinierter Zusatzdienstleistungen, wie das Archivieren der RTP-Rechnungen, Elemente zur Kundenbindung integrieren.
Der Trend hin zu kontaktlosen, digitalisierten Zahlverfahren ist eindeutig. Trotz vorhandener Vorteile konnte Request to Pay davon jedoch bislang noch nicht wirklich profitieren. Dies kann sich nun, insbesondere in Kombination mit der anstehenden IP-Verpflichtung, ändern, so dass RTP die besten Voraussetzungen hat, in den kommenden Jahren in den digitalen Bezahlprozess integriert zu werden. Sowohl Händler als auch Banken sollten sich daher jetzt mit dem Verfahren vertraut machen und den Schritt wagen, die Bezahlmöglichkeiten für die Kunden durch Request to Pay zu erweitern.
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