Bereits im Jahr 2017 wurde das Projekt „TARGET2/T2S-Konsolidierung“ durch das Eurosystem auf den Weg gebracht. Das Ziel war und ist die Modernisierung der bestehenden Marktinfrastruktur des Eurosystems, das Heben von Potenzialen und die gesteigerte Integration des europäischen Finanzmarkts. Zusätzlich sorgt die Modernisierung für einen erhöhten Schutz des Systems gegen Angriffe von außen.
Kernelemente der T2/T2S-Konsolidierung sind:
- Trennung des klassischen Individualzahlungsverkehrs von den Zentralbankoperationen
- Einführung eines zentralen Liquiditätsmanagements mit neuer Benutzeroberfläche
- Flächendeckende Einführung des ISO 20022-Nachrichtenstandards für RTGS und das zentrale Liquiditätsmanagement
Zusammenfassend befindet sich der Zahlungsverkehr aller teilnehmenden Banken in einem umfangreichen Wandel. Technische Komponenten wie IT-Infrastrukturen, IT-Systeme, IT-Schnittstellen etc. und fachliche Geschäftsprozesse wie zum Beispiel Zahlungsanweisungen, Geldwäscheprüfung und Compliance haben den neuen Anforderungen Rechnung zu tragen.
Nachdem das Projekt offiziell am 6. Dezember 2017 durch den EZB-Rat gestartet ist, sollte es ursprünglich im November 2021 live gehen. Die COVID-19-Pandemie und die Verschiebung der SWIFT ISO 20022-Migration führten dazu, dass die Betriebsaufnahme seitens des EZB-Rates um ein Jahr verschoben wurde. Neues Zieldatum ist nun der 21. November 2022, auf den alle Banken fleißig hinarbeiten.
Aufgrund der Vielzahl an teilnehmenden und somit projektierenden Banken (in Deutschland sind es immerhin rund 1.200 Institute) kommt es seitens der EZB zu regelmäßigen Abfragen der allgemeinen Stimmungslage innerhalb der teilnehmenden Banken Europas. Dieses „Community Readiness Monitoring“ wird im Auftrag der EZB von den nationalen Zentralbanken sowohl bei den systemrelevanten Instituten des jeweiligen Landes, den „Closely Monitored Participants“ (CMPs) und den übrigen teilnehmenden Instituten „Regularly Monitored Participants“ (RMPs), durchgeführt. Neben einem Fragenkatalog können die Institute über ein „Ampelsystem“ ihren Projektstatus und ihre Erwartungen für das kommende Quartal angeben.
In Deutschland wurden zu Beginn des zweiten Quartals die Stimmungslage des ersten Quartals 2021 erfragt, konsolidiert und dann ausgewertet. Die genauen Ergebnisse wurden in der 46. Ausgabe des Bundesbank Newsletter Zahlungsverkehr am 23. Juni veröffentlicht und sind hier nur kurz zusammengefasst.
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Stimmungslage der deutschen Kreditinstitute etwas pessimistischer hinsichtlich einer erfolgreichen Migration im November 2022. Das sieht man an einer erhöhten Anzahl an Gelbmeldungen der Institute.
Das liegt vor allem an Ressourcen-Engpässe, Abhängigkeiten von Dritten, das Abwarten auf noch nicht veröffentlichte Dokumente (z. B. User Detailed Functional Specifications Version 2.2) und Unsicherheiten aufgrund der anhaltenden Pandemiesituation.
Positiv zu bewerten ist, dass die planungsmäßigen Meilensteine für das erste Quartal sowohl von den CMPs als auch von den RMPs fast vollständig abgeschlossen werden konnten. Die Sicht der Banken auf das Erreichen der Meilensteine im zweiten Quartal ist dagegen geteilter Meinung.
Den Anschluss an den Netzwerkdienstleister (SWIFT oder SIA-Colt) sehen die einzelnen Häuser unkritischer als den rechtzeitigen Abschluss der Software-Entwicklung für die notwendigen Anpassungen an RTGS, CLM und der gemeinsamen Komponenten. Bei näherer Betrachtung der Stimmungsampel ist erkennbar, dass es bei „Gelb“ und „Rot“ mehrere Farbabstufungen und Interpretationen gibt. So berichtet die Bundesbank, dass Institute vermehrt einen agilen Projektansatz gewählt haben und es daher zu Abweichungen der internen Sprintpläne mit den externen Meilensteinen der Bundesbank kommt. Dies können wir auch beobachten. Gravning begleitet zwei Institute bei der T2/T2S-Konsolidierung; ein Haus in der agilen Projektplanung und eines im klassischen Projektansatz. Allein diese unterschiedlichen Arten der Planung machen einen Vergleich des Projektstatus schwer. Aufgrund der Größe des Projekts entscheiden sich dann einige Institute eher für eine Gelbmeldung als für eine Grünmeldung.
Für die kommenden Meilensteine in diesem Jahr betont die Bundesbank die Wichtigkeit der Testaktivitäten und hebt den Beginn der Nutzertest zum 01.12.2021 hervor.
In Vorbereitung darauf sollen die Teilnehmer ihre internen Tests der Schlüsselfunktionalitäten bis 31.08.2021 abgeschlossen haben. Die IT-Systeme sollen in der Lage sein, die Anbindung an RTGS, CLM und die gemeinsamen Komponenten zu ermöglichen. Im Anschluss erfolgen dann die Testaktivitäten (connectivity tests) zwischen den Banken und den verschiedenen Beteiligten. Die connectivity tests-Phase versetzt die Institute in die Lage, eine Netzwerkverbindung an die Pre-Production-Testumgebung (UTEST) über das Gateway ESMIG aufzubauen.
Zum 30.11.2021 ist eine erfolgreiche Verbindung per U2A und/oder A2A durch die direkt angeschlossenen Banken nachzuweisen. Institute, die nicht direkt an TARGET2 angebunden sein werden, müssen bestätigen, dass ihr Partner erfolgreich eine Verbindung zur Testumgebung aufgebaut hat.
Den Abschluss in diesem Jahr macht der Beginn der Nutzertests zum 31.12.2021. Die Zentralbanken und ihre Teilnehmer werden an den bis zum 30.09.2022 vorgesehenen Nutzertestphasen teilnehmen, die Softwaretests, Ausführung vorgeschriebener Testfälle für das Migrationswochenende, Geschäftstagestests, Betriebstests und spezielle Testszenarien umfassen.
Bis zum Big Bang im November 2022 ist also noch einiges zu tun. Spannend wird es vor allem in der zweiten Hälfte diesen Jahres, wenn eine mögliche vierte COVID-19 Welle zu erhöhten Fallzahlen und somit zu möglichen Restriktionen im sozialen Umgang die Projektarbeit erneut erschweren könnte.
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